2003 wird in Kalifornien ein kleines Start-up gegründet, das zunächst ein Betriebssystem für Digitalkameras entwickeln will. Als sich der Kameramarkt jedoch nicht wie erhofft entwickelt, richten die Gründer – darunter Andy Rubin – ihre Vision neu aus: ein flexibles, herstellerunabhängiges Betriebssystem für Mobiltelefone. Zu einer Zeit, als das Smartphone noch nicht Mainstream war, entsteht Android – als Antwort auf geschlossene Systeme und als Fundament für ein offenes mobiles Ökosystem.
Android sollte von Anfang an mehr können als nur Anrufe und SMS. Das System war konzipiert, um Standortdaten, Nutzungsgewohnheiten und Kontexte zu erkennen – und darauf abgestimmte Dienste bereitzustellen. Diese Grundidee – Geräte, die mitdenken und sich anpassen – war ihrer Zeit voraus und stieß zunächst auf wenig Resonanz im Markt.
Google erkennt den strategischen Hebel
2005 steht auch Google vor einem strategischen Umbruch. Das Unternehmen ist längst mehr als eine Suchmaschine – seine Dienste wie Google Mail, Maps und die Websuche sollen auch mobil verfügbar werden. Der dafür benötigte Unterbau fehlt noch. Proprietäre Systeme wie Symbian oder BlackBerry bieten zu wenig Flexibilität und lassen sich schwer an Google-Dienste anpassen.
In dieser Situation wird Google auf Android aufmerksam – ein Projekt, das perfekt zur eigenen Vision eines offenen, skalierbaren mobilen Internets passt. Im Juli 2005 übernimmt Google Android Inc. – für eine bis heute nicht offiziell bekannte Summe, laut Schätzungen rund 50 Millionen US-Dollar.
Die Übernahme erfolgt still, ohne große Presseankündigung. Der damalige Google-Kommentar lautet lapidar: „We acquired Android because of the talented engineers and great technology. We’re thrilled to have them here.” Doch intern markiert der Deal eine klare Weichenstellung: Google will nicht nur auf mobilen Geräten stattfinden – es will mit Android selbst die Grundlage dafür schaffen.
Der stille Aufbau eines offenen Ökosystems
Nach der Übernahme bleibt Android zunächst unter Verschluss. Google stellt keine Geräte vor, kein fertiges Betriebssystem. Stattdessen wird intern mit Hochdruck daran gearbeitet, ein modulares System zu entwickeln, das auf unterschiedlichster Hardware läuft, einfach angepasst werden kann und dennoch stabile Integration der Google-Dienste bietet.
Diese Offenheit unterscheidet Android radikal von damaligen Systemen wie iOS (das erst 2007 folgen wird) oder dem Blackberry OS. Android soll eine Plattform für alle sein – von Einsteigergeräten bis zu High-End-Smartphones, für Hersteller weltweit, unabhängig von deren Größe.
2007 wird die Open Handset Alliance gegründet – ein Konsortium aus über 30 Technologieunternehmen, das sich zum Ziel setzt, Android weiterzuentwickeln und zu verbreiten. Erst 2008 erscheint mit dem HTC Dream (T-Mobile G1) das erste kommerzielle Android-Gerät. Doch der Grundstein dafür war längst gelegt – im unscheinbaren Sommer des Jahres 2005.
Androids langfristiger Einfluss
Heute ist Android das weltweit am meisten genutzte mobile Betriebssystem. Es läuft auf Milliarden von Smartphones, Tablets, Fernsehgeräten, Autos, Wearables und mehr. Seine Offenheit hat nicht nur technologische Innovation ermöglicht, sondern auch neue Geschäftsmodelle, Märkte und Nutzungsgewohnheiten geschaffen.
Die Entscheidung Googles, 2005 in ein damals unbekanntes Start-up zu investieren, wirkt aus heutiger Sicht visionär. Denn ohne Android wäre die digitale Welt heute eine fundamental andere – fragmentierter, weniger zugänglich, vielleicht auch weniger innovativ.
Der Rückblick zeigt: Große digitale Umbrüche kündigen sich oft nicht lautstark an. Sie beginnen leise – mit einer Idee, einem kleinen Team, einer Übernahme. So wie 2005, als Google Android in sein „mobiles Arsenal“ aufnahm – und damit unbemerkt den Kurs für die nächsten zwei Jahrzehnte setzte.