Marlene Weseslindtner, Senior Digital Manager bei Performics (Publicis Media), interpretiert im Interview die Spending-Forecasts und die von Focus Media Research für das erste Halbjahr 2018 erhobenen Werbeausgaben.

 

Marlene Weseslindtner, Senior Digital Manager bei Performics (Publicis Media)

Die im Frühjahr erhobene, aktuelle MOMENTUM Digitalspendingstudie geht davon aus, dass die Digital-Werbeausgaben (Display, Social, Search, Mobile, Bewegtbild, …) heuer insgesamt um 8 Prozent zulegen werden. Focus Media Research hat vor kurzem die Bilanz des ersten Halbjahres 2018 mit einem Plus von 5,7 Prozent präsentiert. Was ist Ihre Einschätzung: Warum ist 2018 insgesamt weniger euphorisch angelaufen als es zu Beginn es Jahres ausgesehen hat?

Marlene Weseslindtner: Forecasting bleibt ein Blick in eine Kristallkugel, und verschiedene Faktoren, wie etwa eine Fußballweltmeisterschaft, lassen die Euphorie manchmal überschwappen. Bestimmt war von einem weiteren Wachstums der digitalen Spendings auszugehen, und dies ist ja auch eingetreten. Im Vergleich zu anderen Kanälen wie TV und Hörfunk freuen wir uns am digitalen Markt über ein solides und das relational größte Wachstum, auch angesichts der Verluste bei Kino und Out-of-Home. Interessant ist, dass der größte Anteil immer noch bei klassischer Display-Werbung (42 Prozent) liegt, gefolgt von Search. Mobile, Video und Social machten allerdings verhältnismäßig den größten Sprung, und reflektieren die Entwicklung auf dem Werbemarkt. Unsere internen Forecast passen ziemlich genau zu den Ergebnissen von Focus. Wir sind nicht überrascht und zufrieden mit der Entwicklung.

Manche sehen das Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), die intensiven Vorbereitungen von Unternehmen und Institutionen auf die neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen sowie die damit verbundenen Kosten als Gründe für die leicht gesunkene Werbefreudigkeit im Digitalbereich. Können Sie dieser Argumentation folgen?

Marlene Weseslindtner: Die Veränderung der GDPR war und ist bestimmt das Großereignis 2018, auf das monatelang hingearbeitet wurde und wo die Vorbereitungen auf Hochtouren gelaufen sind. Am 25. Mai kam es mir allerdings ein wenig wie beim Jahrtausendwechsel zu Silvester vor: Alle warteten gespannt auf den großen Knall, es böllerte ein wenig, aber wirklich passiert ist nichts. Ich finde die Anpassungen für den User sehr begrüßenswert, und es wird uns die Möglichkeit geben, Online Werbung noch mehr für ihre Zielgruppen attraktiv zu machen. Natürlich tragen wir nun alle die Verantwortung, uns an diesen Verbraucherschutz zu halten. Wir freuen uns auf eine weiterhin gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit unseren Partnern. Die Buchungsfreudigkeit hat die neue Regelung jedoch in meiner Erfahrung kaum beeinträchtigt, da waren andere Themen, wie Anpassungen von Kundenwebsites und deren Daten, ein größeres Thema.

Displaywerbung legt zwar weiterhin zu, aber mit 1,4 Prozent laut Focus im ersten Halbjahr 2018 sehr verhalten. Woran liegt dieses verlangsamte Wachstum im Displaybereich aus Ihrer Sicht?

Marlene Weseslindtner: Es vollzieht sich – wie schon lange beobachtet – eine Verschiebung auf andere Kanäle, die sich dem User-Verhalten und dessen Internetnutzung anpasst. Gerade die jüngere Generation verbringt ihre Zeit nicht mehr vor PCs, das Leben ist aktiver und mobiler geworden. Onlinevideo ist mittlerweile auch weit mehr als eine TV begleitende Maßnahme. Die Werbung muss zuerst auf ihre Konsumenten reagieren, nicht umgekehrt.

Wenn Sie sich die unterschiedlichen Wirtschaftssegmente anschauen: Welche Branchen setzen überproportional stark auf Displaywerbung und welche Branchen halten sich im Moment etwas zurück?

Marlene Weseslindtner: Tech-affine Branchen, wie Kleingeräte sowie Produkte, deren Menschen viel mit Computern arbeiten, wachsen überproportional stark – auch hier reflektiert sie das Interesse der modernen User. Dies bedeutet natürlich auch in erster Linie E-Commerce, für das Online Werbung der wichtigste Kanal überhaupt ist und optimale Resultate liefern kann. Ebenso Brick Business, der Handel in allen Segmenten nutzt die Werbewirkung und die Learnings, die nur Online Werbung schaffen kann. Zurückhaltung spürt man naturgemäß bei Produkten, die ohnehin – und dies nicht online – gekauft werden müssen: Getränke, Gastronomie, Energie, Investmentgüter und öffentliche Institutionen.

In welchen Teildisziplinen des Digital Marketing sehen Sie für das restliche 2018 und für 2019 am meisten Wachstumspotenzial?

Marlene Weseslindtner: Den aktuellen Trend reflektierend, auf jeden Fall bei Social Media, Online Video und Mobile Marketing.

Wie entwickelt sich aus Ihrer Sicht die Bereitschaft der werbetreibenden Wirtschaft in Content Marketing zu investieren?

Marlene Weseslindtner: Content Marketing war und ist eine populäre und effiziente Strategie, um seine Kunden über sein Produkt zu informieren und im Branding Segment Erfolge zu erzielen. Allerdings gilt auch hier: Die Marke, die Produkte und die Strategie müssen dazu passen. Wenn ein Produkt erklärungsbedürftig ist, ist die klassische Bewerbung nicht zielführend – hier ist Content Marketing sicher nützlich. Bei bekannten Produkten bzw. bei Interesse an Conversion ist der Kanal ungeeignet. Nicht zu vergessen ist Content Marketing auch aufwendig im infrastrukturellen Bereich. Content muss erstellt und intensiv betreut werden, sonst kann die Strategie versagen oder im schlimmsten Fall nach hinten losgehen.